Freitag, Juli 30, 2010

Brief an die Klinik

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 14.02. dieses Jahres habe ich per Kaiserschnitt unsere Tochter bei Ihnen entbunden. Am 22.02. wurde ich mit einer beginnenden Wochenbettdepression entlassen. Ihr Personal hat nichts davon gemerkt (ich habe fast 3 Tage am Stück geweint) und nur durch Zufall, eine schnell eingreifende Mütterberaterin (die nicht von der Wochenbettstation verständigt worden war) und viel Glück bin ich nicht in eine postpartale Depression abgerutscht. Auf dem von der Klinik zugesandten Fragebogen hatte ich bereits eine kurze Version meiner Geschichte geschrieben, nicht anonym, versteht sich, und auf eine Entschuldigung oder gleichen gehofft. Aber bislang ist leider nichts aus Ihrer Richtung geschehen, so dass ich mich gezwungen sehe, um meine psychische Verfassung zu verbessern, einen Brief zu schreiben.

Im Nachhinein sehe ich natürlich auch die vielen Symptome der Depression. Ich konnte die Zeit nicht genießen, litt unter Derealisation und schrecklichen Zwangsgedanken. In den ersten Tagen nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus habe ich darüberhinaus gedacht, dass es völlig normal, sich so zu fühlen, denn das Personal hätte sicherlich gemerkt, wenn etwas mit mir nicht gestimmt hätte.

Glücklicherweise entdeckte die Mütterberaterin bei ihrem routinemäßigen Antrittsbesuch, dass mit mir durchaus nicht viel mehr in Ordnung war. Dadurch konnte ich noch früh genug gegensteuern und bin ohne Antidepressiva ausgekommen. Dennoch hat es vier Monate gedauert, bis ich mich wieder im Griff hatte. Meine Lebensqualität war sehr eingeschränkt: ich konnte nicht Autofahren, hatte Panikattacken, habe mich durch die Tage geschleppt.

Nach dem Absenden des Fragebogens hatte ich gehofft, eine Reaktion zu erhalten. Immerhin hatte ich eigentlich die Absicht, Ihr Klinikum auch für eventuelle zukünftige Entbindungen oder Notfälle aufzusuchen. Jetzt überlege ich, ob das eine sinnvolle Entscheidung ist. Wenn nur auf die physische Gesundheit geachtet wird und nicht auf die psychische Verfassung der Patienten, dann ist mir das nicht genug. Vor allem auf der Wochenbettstation sollte das Personal darauf geschult sein, Anzeichen für eine Wochenbettdepression zu beachten und nicht zu missachten, wie in meinem Fall. Die Raumpflegerin brachte mir gegenüber mehr Trost und Verständnis auf als das Pflegepersonal. Weitere Ausführungen spare ich mir, da ich keinen persönlichen Rachefeldzug starten möchte.

Richtig erinnern kann ich mich kaum, die Tage im Krankenhaus sind für mich im Rückblick teilweise nicht zu unterscheiden. Bei dem Versuch, die Ereignisse den einzelnen Tagen zuzuordnen, bleiben Lücken, weil ich mich nicht erinnern kann.

Ihrem Personal werde ich wohl nicht mehr allein vertrauen. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, was mir hätte erspart bleiben können, wenn Ihr Pflegepersonal richtig reagiert hätte, packt mich die kalte Wut.

Wäre ich in den U.S.A., würde ich Ihre Klinik verklagen, denn mir wurden die ersten Wochen mit unserer Tochter mehr oder weniger gestohlen. Eine Entschuldigung ist da das Mindeste, was ich verlange.

MfG